Stadtbefestigung und Tore

Unvollendete Pläne und was davon übrig blieb


Freudenstadt besaß lange Zeit keine Stadtmauer. Sie war zunächst auch nicht notwendig, denn das "Bollwerk" gegen den potentiellen Feind bildete zunächst die Herrschaft Oberkirch, das 1604 als Pfandschaft übernommen wurde.
Als Herzog Friedrich 1608 gestorben war, beauftragte sein Sohn, Johann Friedrich (1608-1628), Baumeister Schickhardt einen Plan für die fehlende Schutzwehr zu erstellen. Dessen Plan von 1612 (siehe die kleine Skizze) wurde nur in Stücken umgesetzt und nie fertiggestellt.


1612

Verschiedene Hindernisse, wie z.B. die Wasserzuführung durch die Teuchelleitungen, vereitelten den Bau einer Mauer.
1627 unternahm Schickhardt einen neuen Anlauf mit dem Bau von Wall und Graben. Der Untergrund versprach aber nicht genügend Stabilität, sodass 1628 Schickhardt auch eine geringere Mauerumwallung aufgab und empfahl nur noch Graben und Brustwehr zu errichten.

Merian So kam Freudenstadt zunächst nur zu dem sogenannten "Plankenzaun", der auf dem Merianstich von 1643 gut zu erkennen ist. (1)

Die Pfandschaft Oberkirch ging aber im 30-jährigen Krieg zeitweilig (1634-1648) wieder an den Bischof von Straßburg verloren. Zwar wurde sie im Westfälischen Frieden wieder an Württemberg gegeben, aber die Pfandsumme wurde nicht aufgebracht und so stand 1662 fest, dass Oberkirch wieder an Straßburg fallen würde.
Damit verlor es seine Funktion als "Schirmmauer" für Freudenstadt und die Westgrenze des Herzogtums.

So kam es unter Eberhard III. zu neuen Überlegungen Freudenstadt eine "Wehr" zu geben. Zwei Ansätze wurden gleichzeitig verfolgt. Erstens wurde 1666 der Palisadenzaun, der im Krieg wohl stark gelitten hatte, erneuert und dazu vier Torhäuser aus Holz gebaut.Festung
Gleichzeitig aber plante man eine neue großzügige Festungsanlage mit zusätzlicher Zitadelle auf dem Kienberg. Diese sollte mit einem speziell verschanzten Weg mit der Stadt verbunden werden. Sie war als zusätzliche Sicherung (Nebenfestung und Rückzugsort) gedacht, da die Gräben allesamt nicht als Wassergräben angelegt werden konnten. - Siehe linkes Bild.

Herzog Eberhard wollte mit dieser Sicherung der Stadt wieder neue Bürger gewinnen. Denen versprach er zwölf Jahre Steuerfreiheit.

Damit die Altbürger blieben, wurde diesen sechs Jahre Steuerfreiheit zugesagt. Es gab verbilligte Bauplätze, Bauholz wurde verschenkt., Ämter wurden nach dem Krieg wieder besetzt, kurzum Freudenstadt sollte wieder aufblühen. Durch die Pestwellen und durch die Folgen des Krieges hatte die Einwohnerzahl sehr gelitten. Viele Bürger hatten die Stadt verlassen. Ihnen war die Stadt zu unsicher geworden.

Im Jahr 1667 ließ Herzog Eberhard III. endlich nach den Ideen des Ingenieurs d'Avila mit dem Bau der gewaltigen Festungsanlage beginnen. Jakob Alfons Franz Calderon d’Avila, 1625-95, war ursprünglich spanischer Adeliger, ausgebildeter Ingenieur, Architekt und Festungsbaumeister im Dienste des Herzogs.

Die Bauleitung hatte Matthias Weiß (1636-1707), (4) unterstützt wurde er von Georg Ludwig Stäbenhaber. Dieser war seit 1669 der herzogliche Festungsbaumeister, der auch 1674/75 die Instandsetzung der Kniebisschanzen leitete. Bekannt wurde er durch die Karte des Freudenstädter Forsts von 1675. Wegen der hohen Genauigkeit der Darstellung ist diese Karte heute ein wertvolles historisches Dokument.

Gebaut wurde bis 1674. Da starb Herzog Eberhard III. und der Weiterbau wurde sofort eingestellt. Auch die links dargestellte Zitadelle auf dem Kienberg wurde nicht gebaut. (1)

Der Nachfolger, Herzog Wilhelm Ludwig, ließ durch seinen Oberstleutnant Andreas Kieser ein Gutachten über die Zweckmäßigkeit der Festung erstellen.
Dieser fand nur Argumente, die gegen die Festungsanlage sprachen und damit fiel es dem neuen Herzog leicht, das teure Projekt sofort zu beenden.BannaschPLANDie bis dahin bestehenden Mauern und die schon behauenen Steine dienten der Bevölkerung nun als Baumaterial für ihre Häuser.
Aus Gräben und Wällen wurden wieder Gärten und Weiden für das Kleinvieh. Einzelne Teile wurden auch an die Bürger verpachtet. Bald war alles neu überbaut und damit das Gesamtbild der "Festungsstadt" völlig verändert.

Die links abgebildete Darstellung von H. Bannasch (3) verdeutlicht, wie der Ausbau der "Festungsstadt Freudenstadt" geplant war.

Auch die Lage der vier Stadttore ist deutlich zu erkennen.
Die Bilder der Tore im Großformat befinden sich in der Bildergalerie: "Geschichtliches".

Leider gibt es kaum Bildmaterial zu dem damals erreichten Bauzustand. Aber es existieren Beschreibungen, vor allem der vier Tore in der Beschreibung des Oberamts Freudenstadt von 1858. (5)

Sie wurden mit dem heimischen roten Buntsandstein gebaut, den der nahegelegene Steinbruch (heute neben dem Facharztzentrum in der Straßburger Straße) lieferte.



Ich habe die Standorte der Tore auf eine aktuellen Karte der Freudenstädter Innenstadt (nebenstehend) übertragen, damit man sich ein Bild von ihrer damaligen Lage machen kann. Ihre Standorte markieren noch heute die wichtigsten Verkehrsanbindungen von und nach Freudenstadt. Genau deshalb sind die Tore Torplanverschwunden; sie standen dem zunehmenden Straßenverkehr im Wege.

Die einzige Abbildung aller vier Tore hat uns Manfred Eimer überliefert.  (2)

Das Stuttgarter Tor (Reihe: 1-links) abgebildet) im Osten war mit aus Stein gehauenen Kanonen- und Mörserläufen verziert und trug die herzogliche Inschrift E.H.Z.W. 1668 (für Eberhard Herzog zu Württemberg) sowie das württembergische und dettingsche Wappen. Es beherbergte außerdem oberamtgerichtliche Gefängnisse.


Das Straßburger Tor (auch Loßburger- oder Süd -Tor) genannt - (Reihe:2. vom links) im Süden war weniger reich verziert und erhielt dieselben Wappen und die Inschrift 1678. Über dem Torbogen befand sich eine vermietete Wohnung und jeweils ein Gefängnis des Oberamts und des Oberamtsgerichts.


Das Murgtal-Tor (Reihe: 2. von rechts) im Westen umfasste die Wohnung des Oberamtsdieners und zwei Gefängnisse des Oberamts Freudenstadt. Die Inschriften lauteten:
E.H.Z.W. 1631 auf der Außenseite und F.C.H.Z.W. 1681 auf der Innenseite. Dies entspricht den Initialen von Friedrich Carl, dem Vormund von Herzog Eberhard Ludwig.

 

Das Hischkopf-Tor, auch Baiersbronner Tor genannt - (Reihe: ganz rechts) im Norden war mit der Jahreszahl 1622 beschriftet und war das älteste der vier Stadttore. Dort waren die Wohnung des Oberamtsgerichtsdieners sowie drei Gefängnisse des Oberamts untergebracht. Wenn wir von bis zu drei Gefängnissen im Stuttgarter Tor ausgehen, dann existierten in den Toren insgesamt zehn Gefängnisse, bzw. Gefängniszellen. Wurde diese erstaunlich große Anzahl wirklich gebraucht? Allerdings müssen wir berücksichtigen, dass die meisten Zellen für das "Oberamt" also für einen ganzen "Bezirk" vorgesehen waren. Offensichtlich sah man es für notwendig an, soviel Gefängnisraum bereitzustellen.

1820 wurde überlegt, die "Festung Freudenstadt" zu einer Bundesfestung auszubauen. Man entschied sich aber dagegen und deshalb wurden 1870 die Stadttore zum Abriss verkauft und die Reste der Festung dem endgültigen Verfall preisgegeben. Zehn Jahre später war nur noch der Festungsdamm beim heutigen Stadtbahnhof einigermaßen erhalten. Der zugehörige Wall ist heute noch bei der Friedenskirche zu erkennen.


Stuttgarter Loßburger Baiersbronn Straßburger

Was ist von all diesen markanten Bauwerken übrig geblieben? Die einzigen Fragmente stammen vom Straßburger (=Loßburger) Tor. Sie sind im Besitz der Kreissparkasse und wurden von dieser saniert. Man findet sie im Eingangsbereich der Stuttgarter Straße 29.
Links unten dazu ein Bild von und aus Google-Street-View.
 
Das Loßburger Tor wurde 1861 durch den Stadtbaumeister Wälde abgebrochen, weil es der Verlegung einer neuen Wasserleitung im Weg stand. Aber er nutzte vom Abbruchmaterial Ziersteine, zwei Vasen und zwei Fratzen mit Gucklöchern für die Säulen des Hoftores an seinem Wohnhaus. Die Fratzen sind auch auf dem Torbild von M. Eimer zu erkennen.
 
Ein Wappenstein mit Fratze wurde als einziger Rest des früheren Loßburger Tors in die Wand des Kurhauses eingesetzt. Es befindet sich an der langen Galerieseite außen (Lauterbadstraße). Es zeigt links das Wappen von Herzog Eberhardt (württembergische Hirschstangen, Rauten von Teck, Reichssturmfahne und die Barben von Mömpelgard). Rechts ist das Wappen seiner Frau, Maria Dorothea Sofie, geb. Gräfin von Öttingen.

Der Gasthof "Zur Burg" (unteres Hinweisschild), bei dem das Straßburger Tor einst stand, gibt es heute nicht mehr. Er befand sich in dem heutigen Gebäude der Volksbank, Loßburger Straße 23.
Die stilisierte Abbildung auf dem Hinweisschild mit dem Glockentürmchen weist eher auf das Stuttgarter Tor hin und nicht auf das Loßburger Tor, das kein Glockentürmchen hatte.

29 Torrest Schild Soest

Neuste Technik mit Künstlicher Intelligenz ermöglicht es uns heute anschauliche Bilder der Tore nachträglich zu erstellen. Wir können hier nachvollziehen, wie die Tore ungefähr ausgesehen und welche Wirkung sie auf die Besucher der Stadt gehabt haben.
Natürlich stimmen dabei nicht alle Details, doch der Gesamteindruck dürfte annähernd erreicht sein. Im Vergleich dazu ein Tor aus Soest um 1525 - siehe obere Reihe ganz recht.
Die Bilder kann man im Großformat anschauen, wenn man sie mit der rechten Maustaste anklickt und die Option wählt: Bild im neuen TAB öffnen.

 

Stuttgarter Loßburger Morgtal Baiersbronn

 

 

Quellen:

 

(1)

Wikipedia

 

(2)

Manfred Eimer: Geschichte der Stadt Freudenstadt, Oskar Kaupert, Freudenstadt, 1937- Alle Torbilder sind hier zu finden.

 

(3)

https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/kgl_atlas/HABW_04_11_Freudenstadt/Grundrisse+neuzeitlicher+St%C3%A4dte+II%0AFreudenstadt

 

(4)

https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/6829/1/Klaiber_Der_fuerstlich_wuerttembergische_Baumeister_Matthias_Weiss_1929.pdf

 

(5)

https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Freudenstadt/Kapitel_B_1

 

 

 

 

Letzte Änderung: 22.05.2025

 

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