Seton - Sendivogius - Siegmund III. - Christian II. - Kaiser Rudoph II. - Herzog Friedrich I.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Seton_(Alchemist)
dazu wird als Quelle benannt:
Karl Christoph Schmieder, Doktor der Philosophie und Professor zu Kassel
Geschichte der Alchemie, 1832,
12. Kapitel
(Stanford Library)
Zur Ergänzung habe ich folgende Quelle mitbenutzt:
https://www.zobodat.at/publikation_volumes.php?id=51141
Heinrich Romberg, 1879,
Fünf Vorträge über die Geschichte der Alchemie – 1879
Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz – 16:
Seiten 67 – 135
Beide Autoren schildern im Wesentlichen den
gleichen Ablauf der Affäre und beziehen sich auf
ältere Quellen, die nur noch schwer oder gar nicht zugänglich sind.
Romberg nennt allerdings mehr Details und bringt
Erklärungen zu den Vorgängen.
Die Geschichte:
In Enkhuizen
(Alle_Bilder_von_Wiki_Commons_frei_gegeben.)
am
IJSSELMEER wird man auf Seton aufmerksam, weil er dort am 1. 3. 1602
einem Schiffer ein „Wunder“ vorführte, indem er Blei zu Gold verwandelte. Das
Datum sei in das Gold eingeritzt worden. Angeblich wiederholt sich dieses Wunder
in Amsterdam und Rotterdam.
Etwas genauere Angaben stammen aus Freiburg aus
dem Jahr 1603. Dort trifft Seton auf Professor Dr. Dienheim, der uns den Ablauf
des Wunders ausführlich schildert. Er war skeptisch und holte als Zeuge Dr,
Zwinger (Medizin und Professor in Basel) hinzu. Dienheim berichtet:
Wir Drei gingen nun zu einem
Goldarbeiter, Dr. Zwinger brachte einige Tafeln Blei mit, den Schmelztiegel
nahmen wir vom Goldarbeiter, Schwefel kauften wir unterwegs.
Setonius rührte nichts an, befahl Feuer anzumachen, Schwefel und Blei
schichteweise einzutragen und die geschmolzene Masse zu rühren.
Nach Stunde sagte er: »Nun
werft dies Brieflein in das fliessende Blei, aber hübsch mitten hinein.«
In dem Papier war ein schweres fettiges Pulver, das etwas zitronengelbes
in sich hatte, aber man musste Luchsaugen haben, um es auf einer Messerspitze
wahrzunehmen. Wir taten wie uns
geheissen, obgleich wir ungläubiger als Thomas waren.
Nachdem die Masse ½ Stunde gekocht hatte und mit einem glühenden Eisen
umgerührt worden war, musste der Goldschmied den Tiegel ausgiessen.
Aber da hatten wir kein Blei mehr, sondern das reinste Gold, welches nach
des Goldschmieds Prüfung das ungarische und das arabische Gold weit übertraf. Es
wog so viel, als das Blei vorher gewogen hatte. Er ließ dann ein Stück von dem
Golde abschneiden, gab es Zwinger zum Andenken, auch ich erhielt ein Stück, fast
I Dukaten schwer, welches ich aufbewahre.
Seton reiste nach Basel und Straßburg und trifft
dort den Goldschmied Güstenhöver. Er benutzte dort dessen Werkstatt und schenkt
ihm zum Dank ein wenig von seinem Wunderpulver, nachdem er ihm seine Verwandlung
von Blei vorgeführt hatte. Güstenhöfer trat in seine Fußstapfen und bald wurde
er zum Stadtgespräch: „Güstenhöfer kann Gold machen!“
Die Sensation wurde dem Kaiser Rudolph II.
(2. Bild rechts) nach Prag berichtet. Dieser befahl, den Vorfall
zu untersuchen. Stadtschreiber Juntli und Ratsherr Kohllöffel hatten den
Auftrag, sich das Wunder vorführen zu lassen. Dreimal verwandelte Güstenhöfer
eine Flintenkugel (Blei) zu Goldkügelchen.
(Welcher Trick hier benutzt wurde, wird unten erläutert.)
Das brachte ihm den „Marschbefehl“ nach Prag ein.
Er gestand nun, dass er nicht wisse, wie das Wunderpulver herzustellen sei und
floh, wurde wieder eingefangen und eingesperrt. Über sein weiteres Schicksal
wird nicht weiter berichtet.
Setons weitere Wegstationen waren Frankfurt,
Offenbach, wo er sich als Graf ausgab und Köln. Dort fiel er wieder in einer
Apotheke auf, weil er Ytrum Antimonii -
Nähere Zusammenhänge bei (2) zu kaufen suchte. Nachdem er auch dort
seine Künste vorgeführt hatte, soll er über Hamburg nach München gereist sein.
Dort hat er seine Frau gefunden.
Im Jahr 1603 hat Seton einen „Gehilfen“ namens
William Hamilton und weilt am sächsischen Hof in Crossen. Dieser Gehilfe führt
dem Kurfürsten Christian II.
(3. Bild links)
und seinen Gästen die Verwandlung von Blei
in Gold vor, reiste vorsichterweise aber danach rasch nach Holland und England.
In Dresden wird Seton "umschmeichelt", Kurfürst
Christian II. versucht ihm sein Geheimnis zu entlocken. Seton schweigt,
wird eingesperrt, der Folter übergeben, „geschraubt“, jedoch ohne Erfolg. 40
Mann sollen ihn angeblich abwechselnd bewacht haben.
Nun tritt Sendivogius
(4. Bild rechts) auf. Er genoss das Vertrauen des Kurfürsten und
erhielt die Erlaubnis den Gefangenen auszuhorchen. Sendivogius aber machte einen
„Deal“ mit Seton und wurde dadurch Teilhaber des Wunderpulvers. Daraufhin befreite er
Seton aus seinem Gefängnis, nachdem er die „Wächter“ betrunken gemacht hatte.
Seton musste nach der Folter auf einem Karren transportiert werden. Dabei half
ihm Setons Frau. Sie suchten zunächst Setons Wohnung in Dresden auf um die
„Tinktur“ mitzunehmen und flüchteten dann nach Krakau. Dort starb Seton 1604 an
den Folgen seiner Folterung.
(Andere sagen 1606 in Basel, was aber weniger
wahrscheinlich ist.)
Sendivogius nahm die „schöne Witwe“ von Seton
sofort zur Frau.
Er trat nun in die Fußstapfen von Seton und
prahlte mit seinen Goldmacherkünsten. Die Kunde davon erreichte schnell den polnischen
Hof. Dort überzeugte er Siegmund III.
(6. Bild rechts)
mit Verwandlungen, reiste aber noch 1604 nach
Prag, wo er es schaffte, Kaiser Rudolph II. die „Transmutation“ selbst
durchführen zu lassen. Dieser war so begeistert, dass er eine Marmortafel mit
folgender Inschrift in die Wand einsetzen ließ:
»Faciat
hoc quispiam alius,
Quod fecit Sendivogius Polonus«.
„Möge ein Anderer vollbringen, was der Pole Sendivog vollbracht hat."
Sie soll noch sehr lange dort zu sehen gewesen
sein.
Als Sendivogius nach Krakau zurückkehren wollte,
wurde er unterwegs von einem mährischen Grafen gefangen gesetzt. Dieser wollte
ihn nur gegen sein Geheimnis frei geben. Aber Sendivogius gelang die Flucht,
indem der die Gitterstäbe seines Kerkers durchfeilte. Er berichtete den Vorfall
dem Kaiser. Dieser bestrafte den Grafen dadurch, dass er ihm befahlt ein Landgut
an der schlesischen Grenze an Sendivogius abzutreten. Sendivogius hinterließ
dieses als Erbteil seiner Tochter.
Auch Friedrich I. von Württemberg
(5. Bild links) hatte von den Wundertaten gehört.
Er
schrieb an den polnischen König und bat ihn, Sendivogius nach Stuttgart zu
schicken. Der trat dort mit Kammerdiener und goldener Büchse auf, in der er
seine Tinktur aufbewahrte. Nach zwei „Verwandlungen“ war der Herzog so entzückt,
dass er Sendivogius das Gut Neidlingen zum Geschenk anbot, wenn dieser in
Stuttgart bleiben würde.
Da fürchtete nun Friedrichs Hofalchemist
Mühlenfels um seine Stellung und startete die folgende Intrige:
Er verleumdete seinen Herzog vor Sendivogius und
gab vor, ihn vor schwerer Folter warnen zu wollen. Gleichzeitig beschrieb er ihm
auch die scheinbar einzige Fluchtmöglichkeit.
Sendivogius glaubte Mühlenfels und verschwand heimlich. Mühlenfels hatte aber seine „Häscher“ auf dem Fluchtweg platziert. Diese nahmen ihn gefangen, beraubten ihn aller Sachen und hielten ihn in einem Turm gefangen.
Herzog Friedrich aber war sehr verwundert über das
plötzliche Verschwinden seines Gastes. Mühlenfels beruhigte den Herzog mit dem
Versprechen, dass er zu gleichen Leistungen fähig sei. Mit Hilfe der geraubten
Tinktur gelang es ihm auch, den Herzog davon zu überzeugen.
Das Gut Neidlingen wurde nun ihm zugesprochen.
Dorthin ließ er seinen Gefangenen bringen. Sendivogius gelang es nach 1 ½
Jahren zu fliehen.
Dem Diener von Sendivogius, der wohl einen anderen
Weg als sein Herr genommen hatte, war es inzwischen gelungen nach Krakau
zurückzukehren und der Gattin von Sendivogius zu berichten. Sie glaubte,
Sendivogius sei Gefangener des Herzogs und bat ihren König um Hilfe.,
Der schickte nun nach Stuttgart einen Drohbrief,
dessen Inhalt wir nicht genau kennen.
Friedrich I. fiel wohl aus allen Wolken, war
zuriefst gekränkt und
befragte Mühlenfels, „hochnotpeinlich“ bis dieser alles gestand und seinen
Betrug zugab. Mühlenfels wurde nach „Urteil und Recht“ 1607 gehängt.
Sendivogius, wieder zuhause, geriet aber nun in
große Schwierigkeiten.
Seine Tinktur war zur Neige gegangen. Der
schriftliche Nachlass von Senton half ihm auch nicht, eine neue Tinktur
herzustellen.
Er versuchte zuletzt folgenden Trick, mit dem er
nicht mehr reich werden konnte:
Gold- und Silberblech eines gestempelten Talers
werden zusammengelötet. Auf der Goldseite wird die Münze „verquickt“, mit
Quecksilber das silberne Aussehen vorgetäuscht. Nach Bestreichen, Glühen und
Ablöschen war die eine Hälfte der Münze zu Gold geworden.
Sendivogius starb 1646 auf seinem Gut Gravarna. (=
Kravarn, Polen)
Soweit die Nacherzählung aus den oben genannten Quellen
Nach folgender Quelle:
Hermann Kopp: Die Alchemie älterer und neuerer Zeit, Erster Teil, Heidelberg, 1886
soll Seton 1603 nachdem er in München seine Frau gefunden hatte, auch bei Herzog Friedrich in Stuttgart gewesen sein. Welche Folgen dies hatte, verdeutlichen die nachfolgenden Zitate:
Unsere Geschichte macht folgende Grundprinzipien und
Strategien
(1) aller Betrüger sichtbar:
1.
Die manipulative Kommunikation als Technik zur Überzeugung
-
Verweis auf frühere in der Literatur verbürgte Umwandlungen
2.
Das Aufteten mit einem bestimmten Habitus der „Autorität“ ausstrahlt
-
Goldene Büchse für Tinktur u.a. – Gehilfen mit unterschiedlichen Rollen –
adliger Lebenslauf …
3.
Die Überzeugung der Opfer verstärken durch gelungene Wiederholungen und deren
Mitwirkung
4.
Der Verweis auf andere „wissenschaftliche“ Kollegen, von denen man „gehört“ hat
5.
Je größer der Betrugsversuch, desto mehr Zubehör (Labor) und Hilfskräfte werden
benötigt. – Das Abkassieren beginnt
6.
Natürlich braucht man die richtigen Rohstoffe und im Einzelfall sehr viel Zeit
(zur Not um sich absetzen zu können)
Der Fehler in den Angaben von Wikipedia besteht darin, dass Herzog Friedrich I. die Gefangennahme von Sendivogius zugeschrieben wird.
" Herzog Friedrich von Württemberg (der auch Sendivogius inhaftieren ließ ...fälschlicherweise werden noch andere Fürsten herangezogen....
Das wird aber in beiden Quellen anders dargestellt
Auch wenn sich manche Inhalte heute nicht mehr belegen lassen, wirft die Geschichte ein bezeichnendes Licht auf (Aber-) Glaube und Verhalten der Beteiligten und ihre Zeit.
Zu Mühlenfels Biografie
(4) findet man noch einige Ergänzungen, wie z.B.:
„M. wurde mit Befehl vom 15.6.1606 verhaftet und nach
Verhör wegen Majestätsverbrechens vom Stadtgericht in Stuttgart zum Tode
verurteilt, seine gesamten Besitztümer wurden konfisziert. Wenige Tage später
wurde M. 28jährig, nachdem ihm auf dem Schloßplatz drei Finger der rechten Hand
*
abgeschlagen worden waren, am Galgen hingerichtet.“
Nachtrag zum Verwandeln von Flintenkugeln aus Blei in
Goldkugeln:
Die Goldkügelchen waren in Wachs eingehüllt auf
die Unterseite des Deckels vom Schmelztiegel geklebt worden. Nach dem Erhitzen
war das Wachs verflüchtigt und das Gold heruntergefallen. Nun wurde es als neuer
Bestandteil im Blei der Flintenkugel vorgefunden. Also war ein Teil in Gold
verwandelt worden.
Zu den anderen Tricks mit Quecksilber findet man
auf Youtube erklärende Filmbeispiele.
Im Projekt Gutenberg
kann man die Geschichte in leicht veränderter
Version erzählt von
Gustav Meyrink, geboren am 19.01.1868 in Wien, gestorben am 4.12.1932 in Starnberg
als Roman nachlesen.
(1) https://gdch.app/article/betruegerische-goldmacher-und-ihre-strategien-4133777
(2) https://www.restauro.de/der-stein-der-weisen/
(3)
https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/meyrink.html