Der märchenhafte Kampf um Quadronien

Eine Geschichtsstunde für Schachfreunde

Einst herrschte in „Quadronien“ ein König, der zwei Söhne hatte. Diese waren sich als Zwillinge so ähnlich, dass bei keinem ein Vorzug vor dem anderen festgestellt werdenKönigin königkonnte.

Und so geschah es, dass der König vor seinem Tod an beide Söhne den gleichen Anteil seines Reiches vermachte. Dieses war in 64 quadratische Parzellen aufgeteilt und so bekam jeder Sohn die Herrschaft über 32 Parzellen, Auch der Hofstaat wurde völlig gleichmäßig und gleichwertig aufgeteilt.

Beide Söhne erhielten 6 sehr starke Kämpfer und 8 Bauernsoldaten, die jeweils eine Parzelle bewohnten und beherrschten. Die Söhne aber traten ihre Herrschaft erst nach der Eheschließung mit einer sehr „starken“ Kriegerfrau an.

Beide Frauen waren ebenfalls Zwillinge und kaum voneinander zuKniht unterscheiden. Das Volk murmelte deshalb insgeheim, dass eigentlich die „Königinnen“ nun die Teilreiche regieren würden.

Die Königspaare wohnten jeweils inmitten ihres Hofstaates auf den Parzellen d1 + e1, sowie d8 + e8. Neben ihnen beherrschten die schnellen Kriegerbischöfe die LäuferParzellen c1 + f1, sowie c8 und f8. Deren Nachbarn waren die Reiterfürsten auf b1 + g1 sowie b8 + g8. Auf den Außenposten schützten jeweils ein bärenstarker Turmfürst auf a1 + h1, sowie a8 und h8 die Reichsgrenze. Diese wurden nur die „Türme“ genannt, weil sie turmhoch auf einem Elefanten saßen und von oben herab kämpfen konnten.

Auf den Parzellenreihen a2 bis h2 und a7 bis h7 waren die „Bauernsoldaten“ untergebracht. Sie waren Fußsoldaten, die schwere Schilde vor sich trugen, die sie daran hinderten, nach vorne zu kämpfen, ihre Schwerthiebe fielen deshalb immer seitwärts. Sie wurden ein klein bisschen als minderwertig angesehen und deshalb oft in der Schlacht geopfert. Es wurde nicht einmal ihr Name erwähnt. Eine Umkehr oder ein Rückzug war ihnen nicht gestattet. Auch gingen ihnen nach demTurm_2 Anfangselan sehr schnell die Puste aus. Wenn sie es aber schafften, das gesamte gegnerische Reich zu durchqueren, wurden sie dadurch belohnt, dass sie einen höheren Kriegerrang verliehen bekamen. Dann wurden sie zu Bischöfen (Läufern), Reiterfürsten (Springern), Türmen oder sogar zur Ersatzkönigin ernannt. Aber auch die stärkeren Kämpfer hatten Bauerkleine Einschränkungen zu verkraften: Die „Bischöfe“ (Läufer) waren es gewohnt, immer nur in eine Richtung zu denken und zu handeln und so bewegten sie sich immer nur auf „schrägen“ Linien. Die Reiterfürsten (Springer) dagegen litten unter den Marotten ihrer Pferde und konnten sich nur in eins zu zwei - oder zwei zu eins -Schritten bewegen, weil ihre Pferde immer versuchten, einer Gefahr seitwärts auszuweichen. Die Türme aber stürmten der Elefanten wegen immer nur in eine Richtung, entweder gerade nach vorne oder gerade zur Seite.brett

Die starken Königinnen aber beherrschten die volle Kriegskunst, Sie konnten sich in der Schlacht nach allen Seiten bewegen, vermieden es aber sich auf Pferde zu setzen. Die Könige selbst aber wurden vor lauter Regieren immer schwerfälliger und konnten im Bedarfsfall nur noch kleine, d.h. einzelne Schritte machen. Trat ihnen aber jemand zu nahe, schlugen sie unbarmherzig zu.

Um sich im möglichen Kriegsfall aber besser unterscheiden zu können, gaben sich die Parteien die Kriegsfarben weiß und schwarz.

Noch herrschte Friede im aufgeteilten Reich „Quadronien“ bis zwei Berater (deren Namen erst am Schluss verraten werden) auftauchten und den Königen folgendes einflüsterten:

K=König, D=Dame, L=Läufer, S=Springer, T=Turm, a bis h=Bauern, x=schlägt. - international:

K=King, Q=Queen, B=Bishop, N=(K)night, R=Rook, a bis h=Pawn.

 

     Weiß     Schwarz Die königlichen Berater empfehlen...
1.  d2 - d4   Schicke den  Bauer d2: „Erkunde die Grenze zu deinem königlichen Bruder. Geh nach d4!“
  1.  f7 - f5 Da tut sich was an der Grenze! Schicke einen Bauern, aber bleibe auf Distanz und schau nach! - Bauer f7: gehe nach f5!“
2.  Sg1 - f3    Sg1: „Unterstütze den d4-Bauern, sichere ihn ab und schau dir mal die Parzelle e5 an.
  2.  e7 - e6 Bauer e7: „Dein Kamerad auf f5 braucht Rückendeckung, geh nach e6!“
3.  Sb1 - c3   Sb1: „Wenn du auf c3 springst, kannst du die Parzelle e4 beherrschen!“
3.  Sg8 - f6 Sg8: „Geh mal nach f6, dann kann Sc3 nicht auf  Feld e4, ansonsten schlägst du ihn nieder.
4.  Lc1 - g5   Lc1: „Wenn du nach g5 eilst, wird Sf6 gefesselt, weicht er, tötest du die Königin!“
  4.  Lf8 - e7 Lf8: „Wir müssen schnell dem Lg5 den Weg versperren und Sf6 schützen! Auf nach e7!“
5.  Lg5 x f6 Lg5: „Nun wird sich zeigen, wer weiter geplant hat. Vernichte den Sf6!“
  5.  Le7 x f6 Le7: „Das kannst du auch, vernichte den frechen Eindringling auf f6!“
6.  e2 - e4 Bauer e2: „Du bist noch frisch, gehe zwei Felder nach e4 und greife auf f5 an, Sc3 gibt dir Rückendeckung und rächt dich, wenn du fällst!“
  6. f5 x e4 Bauer f5: „Du musst e4 schlagen und dich opfern – wenn Sc3 dich schlägt, hast du es für "deinen König getan!“
7. Sc3 x e4   Sc3: „Natürlich vernichtest du den Bauern auf e4!“
  7. b7 - b6 Bauer b7: „Du musst Platz machen für Lc8 nach b7, dann kann dieser auf e4 schlagen!“
8. Lf1 - d3   Lf1: „Schnell nach d3, damit du Se4 beistehen kannst!“
8. Lc8 - b7 Lc8: „Nun kommt dein Einsatz, geh nach b7! Du kannst bis h1 drohen“
9. Sf3 - e5    Sf3: „Geh nach f5, damit die Dame eingreifen kann!“
  9. 0 - 0 Ke8: „Hallo Turmfürst, schütze meine rechte Seite, ich komme dir 2 Felder entgegen!“
10. Dd1 - h5   Dh1: Auf nach h5!: „So kannst du den Se5 absichern, aber bereite dich auf mehr vor!“
10. Dd8 - e7 Dh8: „Auf e7 erhältst du freie Bahn nach b4!“
11. Dh5 x h7 !   Dh5. „Bist du bereit, dich für deinen König zu opfern? Vernichte h7 und stirb den Heldentod!“
  11. Kg8 x h7 Kg8: „Sie ist dir eindeutig zu nahe getreten! Den Tod auf h7 hat sie sich selbst zuzuschreiben“
12. Se4 x f6 +    Se4: „Du hast die Ehre die Treibjagd zu beginnen, vernichte f6, bedrohe den König und mache gleichzeitig den Weg für Ld3 frei! Er bedroht wie du den König auf h7“
  12. Kh7 - h6 Kh7: „Wo soll er hin? Geht er auf h1, kommt Se5 – g6, der danach De7 schlägt, also nach h6!“
13. Se5 - g4 +   Se5: „Auf nach g4, dann muss der König ohne Unterstützung uns entgegenkommen!“
  13. Kh6 - g5 Kh6: „Außer g5 bleibt dir kein Feld mehr übrig!“
14. h2 - h4 +   Bauer h2: „ Du darfst mit h4 den König zu uns jagen!“
  14. Kg5 - f4 Kg5. „Wo soll das noch hinführen? Dir bleibt nur f4!“
15. g2 -g3 +    Bauer g2: „Gehe nach g3 und treibe uns den König entgegen!“
  15. Kf4 - f3 Kf4: „Bewahre deine königliche Haltung, sei auf deine Niederlage vorbereitet - auf nach f3!“
16. Ld3 - e2 +   Ld3: „Auch du darfst mit e2 + an der Treibjagd teilhaben!“
  16. Kf3 - g2  Kf3: „Leider musst du nun zum Kniefall den Hof des weißen Königs auf g2 betreten!“
17. Th1 -h2 +   Th1: „Er darf mit h2 + das triumphale Ende einleiten!“
  17. Kg2 - g1 Kg2: „Mein königlicher Bruder, ich bin euer Gefangener, ich ergebe mich. Weiter als g1 kann ich nicht!“
18. Ke1 - d2   Ke1: „Ich gehe nach d2, gewähre aber Exil und Gnade! "
  matt Der schwarze König bleibt völlig hilflos im Feindesland festgesetzt.

 

schlussSo übernahm der weiße König die Herrschaft über ganz Quadronien. Dafür hatte er seine „Dame geopfert".

Dieses Opfer dient seit über 100 Jahren als großes Vorbild für weitere Schlachten, in denen immer wieder etwas Ähnliches versucht aber nur selten erreicht wurde.

Die Berater aber, die den Königen zur Seite standen, waren Edward Lasker (weiß)  und Sir George Thomas.

Die Schlacht wurde am 29. Oktober 1912 in London bei einem Blitzturnier geschlagen. Das bedeutet, dass jeder insgesamt nur 5 Minuten Bedenkzeit hatte.

Das Ganze fand bei einem Besuch von Lasker im "City of London Club" statt.

Die Partie erhielt den Titel: „FATAL ATTRACTION“.

Edward Lasker, (3.12.1885 – 25.3.1981), war ein aus Deutschland eingewanderter amerikanischer Elektroingenieur, Schach- und Go-Meister. In den USA nannte er sich „Eduard“. Sir George Thomas, (14.6.1881 – 23.7.1972), war britischer Schach-, Badminton- und Tennisspieler.

← Hier die Stellung nach dem letzten Zug!

 

Die Partie wird in zahlreichen Schachbüchern vorgestellt und ist auch bei WIKIPEDIA zu finden. Dabei werden verschiedene Abfolgen (Variationen) bis zum 10. Zug benannt um zu der Ausgangsstellung des Damenopfers zu gelangen. -

Eine davon kann man bei YOUTUBE unter dieser Adresse studieren:

https://www.youtube.com/watch?v=Rl2ky_tYkic

 

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Letzte Änderung: 01.09.2025