Ein Galgen in Freudenstadt ?

 Ja - es gab ihn !

Im Beitrag 1 zur Stadtgründung von Freudenstadt wurde schon darauf hingewiesen, dass am 13. Juli 1602 ein "geweihter" Galgen errichtet wurde. Aber wo stand er und welche Geschichten sind mit ihm verbunden? Eine erste Antwort liefert uns Jaroslaw Piech auf Seite 630. (1)
Demnach stand der Freudenstädter Galgen am Rand der alten Straße nach Aach. Es war der direkte Weg zum dortigen "Waldgericht". Bevor die Umgehungsstraße gebaut wurde, gab es noch einen durchgehenden (Feld-)Weg nach Aach. Der Standort des Galgens befindet sich oberhalb der neu gebauten Straße nach Wittlensweiler. Diese begrenzt die "Hochgerichtsäcker", jetzt ein überbauter Industriestandort. Der Flurname "Hochgerichtsäcker" ist von fast allen Karten verschwunden, dabei verweist er eindeutig auf seine Nachbarschaft zum historischen Galgengericht.
Der rote Punkt auf der nebenstehenden Karte markiert denKarte Standort.
Dieser war bewußt gewählt, denn so wurde den Reisenden, die aus der Stuttgarter Richtung und von Dornstetten kamen  auf dem höher gelegenen Punkt drastisch vor Augen geführt, wohin unbotmäßiges Verhalten führen könnte. Bis 1941 gab es an dem ehemaligen Standort noch einen sog. Galgenstein als sichtbares Erinnerungszeichen. Das "Hochgericht" musste ungefähr so ausgesehen haben wie hier abgebildet, allerdings noch mit Wald und Gesträuch umgeben.Beerfelden
Piech berichtet:
"Erst wurde das Hochgericht mit steinernen Säulen errichtet, 1654 wurden Eichenstämme für die Wiederherstellung verwendet. 1725 der dreischläfriger Galgen."
Das bedeutet, dass man Mitte des 18. Jahrhunderts noch die "Notwendigkeit" sah, einen Galgen zu erneuern!

Die Vogteirechnung 1654/55 berichtet: „Das gleich zu Anfang der Stadt von der Herrschaft mit runden steinernen Säulen aufgerichtete Hochgericht, welches eine große Summe Geld gekostet, ist durch ein ungestümes Wetter vor vielen Jahren über den Haufen geworfen worden und hernach durch die Soldaten und andere Diebe wegen der mit Blei eingegossenen Dübel und Klammern gänzlich ruiniert und zerschlagen worden, dass man solches nicht wieder aufrichten könne.“
Ein neuer Galgen wurde aus drei Eichenstämmen aufgerichtet. Die Löcher zur Einsenkung der Säulen wurden 6 Werkschuh tief und 3 Schuh weit, die Säulen selbst wurden mit großen Steinen festgemacht. Die Höhe des Galgens betrug 30 Schuh. Bei der Aufrichtung haben außer Maurer- und Zimmergesellen auch 26 Bürger und Musketiere samt Trommelschlägern und Pfeifern mitgewirkt.

Diese uns heute sehr sonderbar anmutende Prozession charakterisiert den damals noch herrschenden Zeitgeist. Die letzte Hexe wurde 1793 in Preußen verbrannt. Erst danach war es damit vorbei. Jedoch nicht mit der Vollstreckung der Todesstrafe durch Enthauptung.

Am 16. Mai 1811 wird berichtet, dass der Galgen bereits vor mehreren Jahren abgegangen sei und die wenigen Überreste weggeschafft wurden, nur der Galgenstein blieb.

Der Stadtpfarrer Georg Hengher hat überliefert, dass das erste Opfer in Freudenstadt ein Zimmermann namnens Veith Wesner war, der wegen Bigamie und Betrug 1602 gehängt wurde. Hengher musste Kraft seines Amtes dabei gewesen sein.
Weitere Hinrichtungen folgten. Daten dazu sind allerdings kaum noch vorhanden und die restlichen nur sehr schwer zu finden.

In den Württembergischen Landtagsakten (2) begegnet uns auf Seite 206 eine weitere Angabe von Pfarrer Hengher.
Doch zuerst der Hintergrund zu diesem Vermerk:
Am 15. August 1603 verfaßt der große Ausschuss des Landtags ein Schreiben an den Landhofmeister, den Kanzler und die Räte wegen häufiger Klagen und Beschwerden der Leinenweber und verweist auf die Tübinger Verträge und die bestehenden Landtagsbescheide. Es geht dabei um Steuergelder. Es wird beklagt, dass der Herzog auf die Hinweise des Landtags nur geantwortet habe, sie sollen "einfach Ruhe geben". Es wird in dem Schreiben nun befürchtet, dass es im Volk zu Unruhen kommen könnte. Und genau in diesem Zusammenhang finden wir folgende Bemerkung und den Verweis auf Hengher als Datenquelle:

"(So)eben im Jahr 1603 war in Freudenstadt eine Frau als Hexe verbrannt worden, so sie Herzog Friedrichen erschiessen wollen."

Dies ist deshalb ein erstaunlicher Eintrag, weil diese Geschichte in kaum einer anderen historischen Quelle zu finden ist.

Der einzige weitere mir bekannte  Hinweis lautet: Hz. Friedrich "...entging der Kugel einer Verbrecherin..."(5)

Dabei gleicht der Vorgang unter dem heutigem Maßstab einer Sensation: Hexe

1. Eine Frau (in / aus Freudenstadt?) wollte den Herzog erschießen?  Warum? Was steckt dahinter?

2. SIe gilt als "Hexe", die verbrannt werden musste, bzw. sie wurde dazu gemacht!  - Oder beseitigt man so eine lästige Zeugin?

Allen Spekulationen sind schon deshalb Tür und Tor geöffnet, weil der Herzog einen rücksichtslosen und ausbeuterischen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht pflegte und deshalb in verschiedenen Chroniken der württembergischen Kirchengeschichte ein vernichtendes Urteil erfährt. Zum Beispiel: "Er hatte die Ehrbarkeit und das Glück selbst geistlicher Familien zerstört"... Und an anderer Stelle wird Erzherzog Ferdinand zitiert, der nach dem Tod des Herzog über ihn schrieb: "Er ist ein seltsamer und gottloser Herr gewesen“ (3)

Zu weit hergeholt? Im Gegenteil. Es gibt noch einen zweiten indirekten Hinweis, dass 1603 möglicherweise eine "Attentäterin" als Hexe verbrannt wurde. Einzelheiten dazu in meinem nächsten Beitrag zum Thema "Hexengeschichten", in der eine andere Frau als "Hexe" gebrandmarkt" wird.

Es bleibt die Möglichkeit die Glaubwürdigkeit der Quelle anzuzweifeln.

Kann man den Angaben von Pfarrer Hengher vertrauen? 

Hier seine Daten:

Geb. 27.5.1571 in Tübingen, + 15.9.1626 Alpirsbach

Laufbahn: Studiert in Tübingen 29.8.1588, wirkt  bis 1596 in Sulz am Neckar, in St. Georgen und in Wittershausen.

Von 1599 - 1610 ist er Pfarrer in Freudenstadt, danach in Hagenau und St, Georgen, zuletzt wird er Abt in Alpirsbach,1624-1626.

Die älteren Quellen, die ihn zitieren, vertrauen auf seine Hinweise. Warum sollte er sie erfinden. Er war ja derjenige, der die Verurteilte auf ihrem letzten Weg begleiten musste. Andere Autoren nehmen ihn einfach nicht zur Kenntnis oder unterschlagen ihn. Vielleicht war es auch zu gefährlich, bestimmte Vorgänge öffentlich zu machen.

Herzog Friedrich hat nie davor zurückgeschreckt, sich über alle bestehenden Regeln und Gesetze hinwegzusetzen.

Dies wird auch durch die Hinrichtung von seinen Goldmachern deutlich, die er einfach durch Kabinettsbefehl, ohne Verfahren, aufknüpfen ließ, weil er es "nicht vonnöten hielt, dass jedermann seine Privatsachen wisse".

Dafür spricht auch jene unglückseligen Hinrichtung des Obervogts von Schorndorf, Jakob v. Gültlingen, der seinen nachtwandelnden Freund Konrad von Degenfeld für ein Gespenst gehalten und erstochen hatte. Beide hatten vor der Nacht reichlich gezecht. Die Gegenvorstellung seiner Räte, es müsse dies in einem Verfahren untersucht werden, gab er einfach mit dem Beisatz zurück: "das ist ein seichtes Bedenken." (4)

 



Letzte Änderung: 12.04.2025


Bilder:
Galgen: Bestehender Galgen in Beerfelden, Hessen - Wikipedia
Hexe: Symbolbild von KI

Quellen:

(1)
Jaroslaw Piech, Seite 521 „Mit dem Strang vom Leben zum Todt hingericht“: Der Ellwanger Galgen und andere Galgenstandorte in Württemberg - in:

REGIERUNGSPRÄSIDIUM STUTTGART LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE FUNDBERICHTE AUS BADEN-WÜRTTEMBERG BAND 30, 2009 KONRAD THEISS VERLAG · STUTTGART - Redaktion: Gerhard Wesselkamp unter Mitarbeit von Ute Seidel

(2)

WÜRTTEMBERGISCHE LANDTAGSAKTEN - Herausgegeben von der Württembergisehen Kommission für Landesgeschichte - II. Reihe, Zweiter Band: 1599 — 1608, Stuttgart - Druck und Verlag von W. Kolillummer, 1911

•WÜRTTEMBERGISCHE LANDTAGSAKTEN - Unter Herzog Friedrich 1., 1599- -1608

Bearbeitet von Dr. Albert Eugen Adam, S. 206

(3)

Württembergische Kirchengeschichte. Herausgegeben vom Calwer Verlagsverein, 1893, Seite 416 ff.

(4)

 Karl Pfaff: Geschichte Württembergs, 1820, Reutlingen, 2. Band ,S. 40

 

(5)

https://archive.org/details/kirchlichegesch00rmgoog/page/n5/mode/2up?q=Kirche+W%C3%BCrttemberg

C. Römer:

Kirchliche Geschichte Württembergs, Stuttgart, 1848,

Seite 273:

 

 

 

 

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